Winzerberater sorgen dafür, dass die strengen Delinat-Richtlinien keine Papiertiger bleiben und Europas Weinberge zum Blühen bringen. Die Beratung ist für die Winzer kostenlos. Ein Tag unterwegs mit Berater Daniel Wyss auf der Bodega Pago Casa Gran in Spanien.
Samstag, 9. April 2016. Daniel Wyss macht auf einer mehrtägigen Beratungsreise durch Spanien Halt auf der Bodega Pago Casa Gran in der Nähe von Valencia. Winzer Carlos Laso arbeitet seit sechs Jahren mit Delinat zusammen. In dieser Zeit haben sich seine Rebberge in ein Naturparadies verwandelt, denn Carlos gehört zu jenen Winzern, die sich von einem vielfältigen Weinbau mit reicher Biodiversität haben anstecken lassen und die strengen Delinat-Richtlinien mit viel Herzblut umsetzen. Einmal im Jahr erhält er Besuch von Winzerberater Daniel Wyss. Unsere Bildreportage zeigt, wie sich ein solcher Beratungsbesuch in der Regel abspielt.
9 Uhr
Besprechung der Parzellenpläne
Rechtzeitig auf den Besuchstermin hat Winzer Carlos Laso seine Parzellenpläne auf den neusten Stand gebracht. Sie geben im Detail Auskunft über Biodiversitätskorridore, biologische Hotspots und ökologische Ausgleichsflächen jeder einzelnen Rebparzelle. Winzerberater Daniel Wyss nimmt die perfekt vorbereiteten Unterlagen erfreut zur Kenntnis und bespricht sie mit Betriebsleiter Carlos Laso und den beiden Önologen und Rebmeistern Vincente Revert López und Gonzalo Medina Paris.
10 Uhr
Geniales Bewässerungskonzept
Daniel Wyss präsentiert ein mögliches, revolutionäres Konzept für dezentrale Wasserrückstauflächen auf dem von langen Trockenperioden geplagten Weingut. Schon heute wird das Regenwasser auf Pago Casa Gran über Kanäle in ein grosses, zentrales Auffangbecken geleitet und von dort mittels Pumpen für die Bewässerung der Reben in Trockenperioden genutzt. Ökologischer und sinnvoller wären kleine, dezentrale Rückstauflächen direkt bei den einzelnen Rebbergen. Von hier aus könnte das gesammelte Regenwasser langsam im Boden versickern und die Reben mit Feuchtigkeit versorgen. Daniel Wyss erklärt der Runde, dass die topografischen Verhältnisse auf Pago Casa Gran für ein solches ohne teure Investitionen zu realisierendes Bewässerungskonzept ideal sind.
11 Uhr
Hinaus aufs Feld
Fast alle Parzellen des 45 Hektar grossen Betriebs werden abgeschritten. Mit dabei ist das von Rebmeister Gonzalo Medina Paris geführte Betriebsjournal. Es gibt für jede Parzelle im Detail Auskunft über sämtliche Arbeiten, die im Verlaufe des Jahres ausgeführt wurden. Wann wurde gespritzt? Wie viel Kupfer und Schwefel wurden eingesetzt? Wann wurde der Boden wie bearbeitet? Wann wurde bewässert? Wann eingesät, gemulcht oder gewalzt? Gestützt auf die Aufzeichnungen, werden die Auswirkungen im Feld begutachtet, diskutiert und die Massnahmen für das aktuelle Jahr besprochen.
12 Uhr
Begegnung mit dem Frühling
Ein paar Regentage im April haben dazu geführt, dass die Frühlingsbegrünung in einem Teil der Weinberge bereits in schönster Farbenpracht erblüht. Über mehrere Jahre hat Daniel Wyss zusammen mit dem Winzer und den Rebmeistern an einer für Region und Böden optimalen Saatgutmischung getüftelt. Als besonders erfolgversprechend für nährstoffarme Böden hat sich dabei die Wicklinse herauskristallisiert. Sie gedeiht hier selbst auf sandigen Böden prächtig. Wie alle Leguminosen (Schmetterlingsblütler) hat sie die Fähigkeit, den Luftstickstoff in Symbiose mit Knöllchenbakterien zu binden und diesen als Nahrung für die Reben verfügbar zu machen. Ein wichtiger Beitrag, um auf den Düngersack zu verzichten.
14 Uhr
Verdiente Mittagsrast
Vor 14 Uhr setzt sich in Spanien kaum jemand an den Mittagstisch. Die warmen Frühlingstemperaturen locken zum Speisen im Freien. Mit am Tisch auch Carlos’ Frau Nuria und die Kinder Carlos, Marta und Miguel. Nuria hat saisonfrischen Salat und eine schmackhafte Paella mit Artischocken und zarten Stücken vom Huhn und Kaninchen zubereitet. Da läuft allen das Wasser im Munde zusammen. Carlos kredenzt dazu eine Flasche Casa Benasal. Die feine Cuvée aus Monastrell, Garnacha Tintorera und Syrah harmoniert perfekt zum vorzüglichen Reisgericht.
16 Uhr
Reben ausreissen für mehr Natur
Weinberg-Rundgang zweiter Teil: Carlos schreitet mit Daniel verschiedene Biodiversitätskorridore ab, die mitten durch die Weinberge verlaufen. Vor ein paar Jahren hat der Winzer einzelne Reihen Reben ausgerissen und durch alternative Kulturen ersetzt, um mehr Abwechslung in die Weinberge zu bringen. Heute sorgen Korridore mit Olivenbäumen, Aromakräutern, Aprikosen und Mandelbäumen sowie ein kleines Feld mit Granatapfelbäumen für wertvolle zusätzliche Strukturelemente. Der Delinat-Winzerberater attestiert Carlos Vorbildcharakter.
17 Uhr
Bis Bäume in den Himmel wachsen …
… dauert es Jahrzehnte. Verbesserungspotenzial auf Pago Casa Gran gibt es in erster Linie noch bei der vertikalen Biodiversität. Das heisst, es fehlen hohe, stattliche Einzelbäume, wie sie zum Beispiel Steineichen darstellen. Auf dem Rundgang weist Daniel Wyss immer wieder auf einzelne Stellen hin, wo solche Bäume Sinn machen würden, ohne die Rebkultur zu beeinträchtigen. Einzelne Steineichen hat Carlos bereits gesetzt. Aber sie sind noch so klein, dass man sie kaum wahrnimmt. Etwa in einem noch kahl wirkenden Dreieck, wo ein biologischer Hotspot mit vielen verschiedenen Pflanzen angelegt wurde. An der Pracht der Steineichen werden sich hier wohl erst die Kinder von Carlos und Nuria erfreuen können. Aber wie hat schon der indische Dichter, Philosoph und Nobelpreisträger Rabindranath Tagore (1861– 1941) gesagt: «Wer Bäume setzt, obwohl er weiss, dass er nie in ihrem Schatten sitzen wird, hat zumindest angefangen, den Sinn des Lebens zu begreifen.» Etwas schneller wachsen Feigen-, Mandel- und Olivenbäume. Einige davon bringen schon heute Abwechslung in die Weinberge.
18 Uhr
Regenwasser nutzen
Zum Abschluss eines langen, intensiven Beratertags schauen sich Daniel Wyss und Carlos Laso draussen auf dem Feld mögliche Standorte für die am Vormittag diskutierten dezentralen Wasserrückhalteflächen an. Zwischen einer Strasse, die durch das reizvolle Valle de les Alcusses führt, und einer leicht geneigten Rebfläche entstünde durch ein paar kleine Erdverschiebungen günstiger Stauraum für Regenwasser, das für die Versickerung in die angrenzende Rebfläche genutzt werden könnte.
Die übrigen Winzerberater lernt ihr im Artikel «Die Delinat-Winzerberater» kennen.
- Biodiversität: Ohne Chemie und Monokultur geht es besser - 20. August 2024
- Biodiversität: Viel bringt viel - 13. August 2024
- Spanische Delinat-Winzer tauschen sich zu Wassermanagement im Weinberg aus - 10. Mai 2024