Mit dem Keyline-System gegen Wetterextreme

Wetter und Klima spielen verrückt: Trockenheit und Starkregen treten immer in extremerer Form auf. Im Vorteil sind Winzer, die ihre Weinberge nach der Delinat-Methode bewirtschaften. Eine vielfältige Begrünung schützt den Boden vor Verdunstung und Erosion, und dank einer guten Durchwurzelung kann das Wasser bei sintflutartigem Niedergang besser aufgenommen werden. Wenn aber innert weniger Stunden Hunderte Liter Regen vom Himmel fallen, reicht auch das nicht mehr. Das Anlegen der Rebberge nach dem Keyline-System eröffnet neue Perspektiven.

Die geschwungenen Rebzeilen sind typisch für einen Weinberg, der im Keyline-System angelegt wurde: Hier eine Neupflanzung beim Delinat-Forschungsweingut Château Duvivier.

Das Keyline-System (auf Deutsch Hauptliniensystem) wurde in den 1950er-Jahren von P.A. Yeomans im trockenen Australien entwickelt und später unter anderem vom amerikanischen Farmer Mark Shepard geprägt und weiterentwickelt. Besonders in der Permakultur-Bewegung hat das Keyline-System in den letzten Jahrzehnten grossen Anklang gefunden. Auch der Krameterhof von Permakultur-Vorreiter Sepp Holzer nutzt das System seit Längerem erfolgreich, um das vorhandene Wasser gezielt auf dem Gelände zu halten und gleichmässig und langfristig im Boden zu speichern.

Die Topografie nutzen

Das Konzept beruht darauf, das Wasser entlang der topografischen Höhenlinien zu sammeln und direkt dort zu speichern, wo es benötigt wird. Da Wasser aufgrund der Schwerkraft stets den Weg des geringsten Widerstands wählt, sammelt es sich in tieferen Bereichen des Geländes und fliesst dort schnell ab. Das führt dazu, dass bei heftigen Regenfällen nur ein kleiner Teil des Wassers im Boden gespeichert und den Kulturen zur Verfügung gestellt wird. Der grosse Rest fliesst ungenutzt vom Gelände und führt – durch das Abtragen des Mutterbodens (Erosion) – zusätzlich zum Verlust von Humus oder reisst im Extremfall sogar ganze Landstriche mit.

Das Aufschütten der Wälle mit Steinen entlang der Olivenbäume, schafft auf Vale de Camelos Brutmöglichkeiten für Nützlinge.
Das Aufschütten der Wälle mit Steinen entlang der Olivenbäume, schafft auf Vale de Camelos Brutmöglichkeiten für Nützlinge.

Durch den Bau von einfachen Wällen, Gräben oder Furchen entlang der Höhenlinien wird ein schnelles Abfliessen verhindert: Das Wasser wird gleichmässig zurückgehalten und kann vom Boden langsam aufgenommen werden. Ein minimales Gefälle dieser Gräben verhindert nicht nur das Abfliessen des Oberflächenwassers, sondern ermöglicht auch, dieses gezielt von den – aufgrund der topografischen Lage – feuchten in die trockenen Bereiche zu leiten. Über solchen Gräben lassen sich bei starken Niederschlägen auch Teiche und Rückhaltebecken auffüllen, die in Konzepten der Permakultur als langfristige, dezentrale Regenwasserspeicher und vielfältig bepflanzte Biotope mit reicher Fauna und Flora vorgesehen sind. Solche Lebensräume und Rückzugsorte sind ein grosser Gewinn für die Biodiversität und stärken das gesamte Ökosystem. Auch die Fruchtbarkeit der Böden nimmt stetig zu, da die Humusschicht nicht mehr weggeschwemmt wird. Dies wiederum sorgt für kräftige Pflanzen, die keine Düngung nötig haben. Durch die Fotosynthese wird CO2 als Kohlenstoff in der Erde gebunden, und dadurch werden die Fruchtbarkeit und die Wasserretentionskapazität des Bodens laufend verbessert und auch CO2 in der Atmosphäre reduziert.

Erster Keyline-Rebberg im Alentejo

Rebberg im Keyline-System

Bereits begegnen mehrere Delinat-Weingüter den Herausforderungen des Klimawandels erfolgreich mit Massnahmen der Permakultur. Auf dem Weingut Vale de Camelos im portugiesischen Alentejo wurde 2019 erstmals ein neuer, 4,3 Hektar grosser Weinberg nach dem Keyline-System angelegt. «Für uns ist das ein weiterer Schritt, um sowohl mit Trockenheit als auch starken Niederschlägen noch besser zurechtzukommen», sagt Antje Kreikenbaum von der Besitzerfamilie.

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Jonas Schrag
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