In Bio-Weinbergen sei die Artenvielfalt nicht grösser als in konventionellen, so folgert eine aktuelle Studie der Universtät Fribourg und schockiert damit überzeugte Bio-Konsumenten und -Produzenten. Wie viel Wahrheit ist daran und ist das gezeichnete Bild vollständig?
Die erschreckende Feststellung, dass die Biodiversität in vielen Biobetrieben mittlerweile derart verkommen ist, dass sie nicht höher ist als in gut wirtschaftenden IP-Betrieben, stand am Ausgangspunkt der Zweiten Biorevolution, die Delinat vor einiger Zeit ausrief. Denn der bloße Verzicht auf Chemie bedeutet noch längst keine nachhaltige Landkultur (siehe Beitrag im Ithaka-Journal).
Monokultur führt zum Zusammenbruch der Ökosysteme
Die Hauptursache für das Zusammenbrechen der landwirtschaftlichen Ökosysteme und der damit einhergehende Zwang zum Einsatz von Pestiziden liegen in der katastrophalen Anlage von Monokulturen und der Ignoranz gegenüber dem Ablauf natürlicher Prozesse. Nicht, dass wir damit synthetische Pestizide harmlos sprechen wollen, aber wir sind uns durchaus bewusst, dass die entscheidenden Faktoren für die Stabilität von Ökosystem in der gezielten Förderung der Biodiversität liegen. Zur Erreichung dieses Zieles hat Delinat nicht nur ein eigenes Forschungsinstitut gestiftet, sondern eine umfassende Charta für Biodiversität erstellt und tiefgreifend neue Bio-Richtlinien für alle Delinat-Winzer erlassen.
Biodiversität auch in IP-Betrieben
Zum Vergleich mit den Bio-Weinbergen hat die Studie nicht kahlgespritzte herkömmliche herangezogen, sondern IP-Weinberge. IP steht für „Integrierte Produktion“, die chemische Pestizide zwar nicht verbietet, aber versucht, mit so wenig wie möglich und so viel wie notwendig auszukommen. IP-Weinberge sind in der Regel begrünt, ähnlich wie Bio-Weinberge. Die Maßnahmen, die wir in der Charta für Biodiversität aufgestellt haben, sind daher nicht nur für Biobetriebe, sondern auch für IP-Betriebe geeignet und empfohlen. In seiner Beratungstätigkeit arbeitet das Delinat-Institut häufig für IP-Betriebe, um dort, trotz des Einsatzes bestimmter synthetischer Produkte, die Biodiversität entscheidend zu erhöhen und das Ökosystem Weinberg zu stabilisieren.
IP-Betriebe, die nach der Delinat-Charta für Biodiversität arbeiten, zeigen eine wesentlich höhere Biodiversität als viele der traditionellen Biobetriebe, in denen Monokultur herrscht und die Begrünung weggepflügt wird. Wer je seinen Fuß in einen Weinberg setzt, der nach der Delinat-Charta für Biodiversität gepflegt wird, der wird auf den ersten Blick die Kraft und Harmonie der biologischen Vielfalt erkennen und verstehen. Die Methoden, die auf fortschrittlichen Bioweingütern eingesetzt werden, haben die höchste Weinqualität in gesunden Ökosystemen zum Ziel.
Der Verzicht auf Chemie allein reicht nicht
Es ist ein großer Fehler vieler Biobetriebe, sich lediglich über den Verzicht auf Chemie zu definieren, anstatt allumfassend nachhaltig und mit Methoden der Biodiversifizierung zu arbeiten. Auf diese Weise kommt es zu so erschreckenden Studien, dass es Bio-Weingüter gibt, deren Biodiversität geringer ist als die von konventionellen Gütern. Daraus aber wiederum zu schließen, dass Bio grundsätzlich schlecht für die Biodiversität sei, hieße freilich die Fakten hässlich zu verkehren.
Studie ist mangelhaft
Die Gesamtaussage der zitierten Studie ist allerdings trotzdem tendenziös und ungenau formuliert. Über 95% der in einer landwirtschaftlichen Parzelle vorkommenden Arten sind mit bloßem Auge unsichtbar. Wenn nur Blumen, Heuschrecken und Spinnen als Maßstab der Biodiversität herangezogen werden, ergibt dies nur ein sehr unvollständiges Bild. Gerade die Mikroflora und –fauna reagieren besonders sensibel auf Pestizide und gefährden insbesondere die funktionale Biodiversität. Aber auch hier gilt, dass eine ökologisch durchdachte Bewirtschaftungsmethode (artenvielfältige Begrünung, Humuswirtschaft, strukturelle Diversität durch Bäume und Sträucher, genetische Diversität …) mehr Einfluss auf die insgesamt im Weinberg herrschende Biodiversität hat, als die Wahl des biologischen oder synthetischen Pestizids.
Der Weinberg der Zukunft
Unser Engagement gegen synthetische Pestizide erklärt sich vor allem aus der Tatsache, dass wir die Folgen der synthetischen Pestizide und ihrer Interaktionen nur sehr unvollständig kennen und Persistenzen sowohl im menschlichen als auch im tierischen und pflanzlichen Organismus sowie im Ökosystem überhaupt konstatieren müssen. Unser Kampf um den ökologisch nachhaltigen Weinberg der Zukunft bleibt aber nicht bei der Frage der Pestizide stehen, sondern definiert sich ebenso über die tatsächliche Biodiversität im Weinbau, die Reinheit und Qualität des Weines und nicht zuletzt die Klimabilanz.
Quelle:
Effects of vineyard management on biodiversity at three trophic levels
Veröffentlicht in: Biological Conservation
Odile T. Bruggisser, Martin H. Schmidt-Entling, Sven Bacher