Einstein interessiert sich für Pflanzenkohle

Am 24. November 2011 hat das Schweizer Fernsehen im Wissenschaftsmagazin «Einstein» eine Reportage über die Arbeit des Delinat-Instituts gesendet. Hauptthema war die Produktion und der Einsatz von Pflanzenkohle im Weinbau. Der Beitrag zeigt leicht verständlich, wie Pflanzenkohle aus Grünabfällen entsteht und welche grossen ökologischen Erwartungen in dieses Substrat gesetzt werden.

Am Delinat-Institut laufen mehrere Versuche, welche das Potenzial von Pflanzenkohle als Boden- und Qualitätsverbesserer im Weinbau sowie ihre Wirkung als Treibhausgas-Bremse ausloten. Das Wissenschaftsmagazin Einstein will das Projekt weiterverfolgen und plant einen zweiten Beitrag, sobald die Versuche erste Aufschlüsse über die Auswirkungen von Pflanzenkohle auf die Weinqualität liefern.

Anmerkungen:

  • Im Filmbeitrag ist noch von «Biokohle» die Rede. Hersteller und Forscher haben sich inzwischen auf den neuen Begriff «Pflanzenkohle» geeinigt. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Für Kundinnen und Kunden, die kein Schweizerdeutsch verstehen: Nach dem Vorspann geht es auf Hochdeutsch weiter.

Grösster Biokohle-Versuch gestartet

Der Weinbau entwickelt sich zur Pionierkultur für Biokohleforschung: In diesem Frühjahr wurde unter der Ägide des Delinat-Instituts für Ökologie und Klimafarming der bisher mit Abstand grösste Biokohle-Netzwerkversuch gestartet. Involviert sind rund ein Dutzend Bioweingüter quer durch ganz Europa. Eine zentrale Rolle übernehmen die vier zum Delinat-Forschungsnetzwerk gehörenden Betriebe Château Duvivier (Frankreich), Maggio Vini (Italien), Pago Casa Gran (Spanien) und Römerkelter (Deutschland).

Biokohle MaggioVini

Einsatz von Biokohle, hier auf dem Weingut Maggio Vini auf Sizilien: Biokohle wurde mit Mist vermischt und in den Rebzeilen ausgebracht.

Erste Resultate liegen vor

Auf einer jeweils rund einen Hektar grossen Fläche wird die Wirkung von Biokohle als Bodenverbesserer, Nährstofflieferant und Klimagas-Bremse erprobt. Der europaweite Grossversuch baut auf ersten Resultaten eines bereits 2007 angelegten Versuchs am Delinat-Institut auf. Die neusten Resultate dieses Versuchs deuten darauf hin, dass der Einsatz von Biokohle insbesondere die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit verbessert, was zu Qualitätsverbesserungen und weiteren Vorteilen führt. Im Vordergrund stehen:

  • Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Reben und damit Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.
  • Stimulation der mikrobiellen Bodenaktivität und der Symbiosen zwischen Pflanzen und Bodenorganismen.
  • Reduktion des Düngemitteleinsatzes durch Optimierung der Nährstoffversorgung.
  • Verbesserung des Geschmacks, der Nährstoffgehalte und der Haltbarkeit des Erntegutes.
  • Verringerung von Klimagasemissionen und Grundwasserbelastung.

Der im Frühling 2011 gestartete Grossversuch, der sich auf unterschiedlichste Bodentypen und Klimazonen erstreckt, soll innerhalb von 3 bis 5 Jahren definitiven Aufschluss über den Einfluss der Biokohle auf das Rebenwachstum und die Weinqualität liefern.

Im eigenen Garten experimentieren?

Biokohle wurde schon in alten Indiokulturen am Amazonas verwendet. Dort kommt sie in der fruchtbaren schwarzen Erde «Terra Preta» vor. Biokohle lässt sich aus organischen Reststoffen herstellen. Erhitzt man Biomasse (Grünabfälle, Stroh, Trester, Küchenabfälle usw.) unter Ausschluss von Sauerstoff auf über 350°C, entsteht reine Biokohle. Diese wird im Weinberg immer mit Kompost oder Viehmist vermischt eingesetzt. Wer im eigenen Garten oder Weinberg mit Biokohle experimentieren möchte, kann bei www.swiss-biochar.com Biokohle oder fertige Terra Preta Substrate bestellen.

Biokohle und Kompostierung

Die Arbeit mit Kompost ist ein zentraler Bestandteil des Klimafarming. Der Einsatz von Kompost hilft, Stoffkreisläufe zu schliessen und ermöglicht eine effektive Verbesserung der Bodenstruktur und damit der Fruchtbarkeit. Doch mit dem Aufschichten von Küchenabfällen ist es nicht getan. Damit qualitativ hochwertiger Kompost entsteht, braucht es fundiertes Wissen, Technik und Fingerspitzengefühl.

Kompost und Biokohle

Zwei experimentelle Kompostmieten vor dem ersten Wenden. Vorne ohne Biokohle als Kontrolle, hinten mit 10 Prozent Biokohle.

Richtig kompostieren

Unterschiedliche organische Abfälle müssen zu einer ausgewogenen Mischung zusammengestellt werden. Sie werden in langen Mieten gut durchmischt angehäuft und regelmässig gewendet. Ein Vlies schützt den Kompost vor Austrocknung, Licht und Wärmeverlust. Feuchtigkeit, Sauerstoff und Temperatur müssen während der verschiedenen Phasen beobachtet werden, damit bei ungünstiger Entwicklung angemessen reagiert werden kann. Laboranalysen (z.B. pH-Wert und Mineralstoffe) ergänzen die gesammelten Informationen. Im Optimalfall entsteht bereits innerhalb von sechs Wochen ein äusserst fruchtbares Bodensubstrat, das wertvolle Nährstoffe und unzählige nützliche Bodenorganismen enthält.

Versuche mit Biokohle

Am Delinat-Institut wurde soeben eine Versuchsreihe gestartet, bei welcher die Auswirkungen von Biokohle auf den Kompostierungsprozess und das Endprodukt untersucht werden. Wir haben hierzu bei einer Teilmiete 10 Prozent Biokohle zu den Ausgangsmaterialien gemischt. Diese umfassen Hühnermist, Traubentrester, Strauchschnitt, Rasenschnitt, reifen Kompost und lehmige Erde. Als Kontrollvariante dient eine Teilmiete ohne Kohle.

Mit geeigneten Analysen überprüft Claudio Niggli die Qualität des Kompost.

Biokohle speichert Feuchtigkeit, bindet Nährstoffe und fördert die Aktivität von Mikroorganismen, wodurch die Umsetzung der Abfälle zu Kompost optimiert und der Ausstoss von Klimagasen reduziert werden kann. Die dem Kompost beigemischte Biokohle sollte am Ende wie ein Schwamm optimal mit Nährstoffen und Leben aufgeladen sein.

Biokohle für Kleingärten

Vor zwei Wochen nahmen das Delinat-Institut und Swiss Biochar den ersten Pyrolyse-Reaktor Europas in Betrieb. In der Nähe von Lausanne wird nun Biokohle produziert.

Klima retten mit Biokohle

Fertige Biokohle
Biokohle

Durch die Herstellung von Biokohle wird es möglich, der Atmosphäre dauerhaft CO2 zu entziehen (Klimafarming); der Einsatz von Biokohle macht klima-positives Wirtschaften möglich – im Weinberg, in der Landwirtschaft und auch im Kleingarten.

Seit 2007 erforscht das Delinat-Institut die Wirksamkeit von Biokohle als Bodenverbesserer. Die Ergebnisse sind so ermutigend, dass dieser Versuch jetzt ausgedehnt werden soll: Wie berichtet, fördern wir den Einsatz von Biokohle in den Weinbergen der etwa 100 Delinat-Winzer. Zusätzlich hat das Delinat-Institut jetzt die Aktion „Biokohle für Kleingärten“ gestartet.

Grossflächiger Bodenversuch mit Biokohle

In 500 Kleingärten soll der bisher grösste Bodenversuch der Schweiz unternommen werden: Das Delinat-Institut stellt jedem teilnehmenden Gärtner 10 kg Biokohle zur Verfügung; vermischt mit Kompost ergibt das ein Substrat für drei Versuchsflächen von jeweils 3qm.

In diese Erde wurde Biokohle eingearbeitet.
In diese Erde wurde Biokohle eingearbeitet.

Die Gärtner bekommen eine Versuchsanleitung und ein Protokoll zur Auswertung. So wird die Wirkung von Biokohle auf verschiedenen Böden mit unterschiedlichen Kulturen dokumentiert. Nach ein bis zwei Jahren werden genügend Daten vorhanden sein, um auszuwerten, ob Biokohle tatsächlich eine Perspektive darstellt als Bodenverbesserer und für eine nachhaltige, klimapositive Landwirtschaft – und damit für die Zukunft der Menschheit.

Bewirtschaften Sie einen Kleingarten und möchten an dem Versuch teilnehmen? Hier auf der Homepage des Delinat-Instituts finden Sie weitere Informationen und ein Formular, mit dem Sie sich um die Teilnahme bewerben können. Bitte geben Sie dort als Betreff „Biokohle für Kleingärten“ ein und beschreiben Sie kurz, warum und wo Sie an dem Versuch teilnehmen möchten. Zur Zeit ist die Teilnahme wegen der kürzeren Transportwege nur in der Schweiz möglich. Verläuft der Versuchsaufbau positiv, ist eine Ausdehnung des Versuchs auf Deutschland und Österreich denkbar.

Einen beeindruckenden Erfahrungsbericht über den Einsatz von Biokohle im Garten finden Sie übrigens ganz aktuell im Ithaka-Journal (hier).

Höhere Anforderungen an Delinat-Winzer

Je erfolgreicher der Bio-Markt, desto lascher die Biorichtlinien und ihre Umsetzung. Bio verkommt immer mehr zu einer Industrie, bei der nicht mehr die Natur, sondern hartes Business im Vordergrund steht. Diese Entwicklung passt Delinat-Gründer Karl Schefer nicht: „Was hilft Industrie-Bio der Natur? Ökosysteme werden durch Monokulturen zerstört, da spielt es kaum eine Rolle, ob Krankheiten mit chemischen oder mit biologischen Giften bekämpft werden. Solange die Monokultur nicht als Ursache des Übels erkannt wird, geht die Zerstörung der Umwelt immer schneller, immer weiter voran.“

Aufruf zur zweiten Bio-Revolution

Natürliche Vielfalt im Weinberg
Natürliche Vielfalt im Weinberg

Delinat begegnet dieser Misere mit einem Aufruf zur zweiten Bio-Revolution, einer Biodiversitäts-Charta und neuen Richtlinien (PDF). Diese gelten ab 2010, sind deutlich ambitionierter als die bisherigen und gehen weit über das EU-Biolabel und die Normen einzelner Länder hinaus. Die schon bisher überdurchschnittlich hohen Anforderungen an die Delinat-Winzer steigen damit nochmals beträchtlich. Verzicht auf Gift und Kunstdünger im Rebberg genügen längst nicht mehr. Die neuen Delinat-Richtlinien zielen auf eine klimaneutrale Bewirtschaftung und eine hohe Biodiversität im Weinberg ab. „Es muss ganzheitlich gedacht und gehandelt werden. Monokulturen sind anfällig und fördern Resistenzen. Wer biologische Stabilität will, bekommt sie nur, wenn er die Biodiversität fördert“, sagt Karl Schefer in einem Interview auf nachhaltigkeit.org.

Drei Schnecken nur für ökologische Innovationen

Zusammen mit den Richtlinien 2010 wurde ein neues Stufenmodell mit 1 bis 3 Weinbergschnecken eingeführt. In zwei Jahren sollen die Delinat-Weine entsprechend gekennzeichnet werden. Weine, die höchsten ökologischen Ansprüchen genügen, werden mit drei Schnecken ausgezeichnet. In einem Brief an die Delinat-Winzer (PDF) appelliert Karl Schefer an deren Ehrgeiz und Moral, sich für „echte ökologische Innovationen“ stark zu machen. Ziel ist es, bis zum Jahr 2015 mindestens die Hälfte der Delinat-Winzer mit drei Schnecken auszuzeichnen.

Sind Sie mit dem strengen Richtlinien-Kurs einverstanden?

Manche werfen Delinat vor, mit ihren strengen Vorschriften übers Ziel hinaus zu schiessen. Seit die ersten Delinat-Richtlinien 1983 erschienen sind, gab es alle paar Jahre Verschärfungen und immer mehr Bereiche sind betroffen. 2010 fand auch die neue Delinat-Charta für Biodiversität Einzug ins Regelwerk. Notwendige Schritte oder völlig übertrieben?

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Lesen Sie das ganze Interview mit Karl Schefer über die neuen Delinat-Richtlinien und die Notwendigkeit, den Sprung in die Zukunft zu wagen.