Für mich ist es das erste Mal, dass ich einen direkten Einblick in die Philosophie und Arbeitsweise unserer Winzer in Sizilien bekomme. Am eindrücklichsten bleibt mir sicher der Besuch auf dem Weingut von Massimo Maggio in Erinnerung. Wie er und sein Kellermeister Angelo Marangio die über 100 Hektar Reben managen und mit Überzeugung fast überall die höchsten Anforderungen der Delinat-Richtlinien erfüllen, ist beeindruckend.
Dass Weinbau für Massimo in erster Linie eine Herzensangelegenheit ist, zeigt das Projekt Castellucio. Erst vor fünf Jahren hat er diesen nur zwei Hektar grossen Weinberg übernommen. Rein wirtschaftlich würde es kaum Sinn machen, diese 25 Kilometer vom Weingut entfernte kleine Fläche zu bewirtschaften. Zu gross ist der Aufwand, zu klein der Ertrag. Doch Massimo hat an diesem Flecken Erde den Narren gefressen, zumal er hier ausserordentlich extraktreiche Trauben ernten kann. Daraus entsteht der Terregeloi, ein im Barrique ausgebauter Nero d’Avola, der ab kommendem Herbst Eingang in den DegustierService «Exklusiver Rotwein» findet.
Beim Spaziergang durch den grossflächigen Weinberg Vigna di Pettineo überraschen mich die vielen ökologischen Hotspots, Sträucher und Bäume, die Massimo angepflanzt hat. Sein Ziel ist klar: eine möglichst reiche Biodiversität. Schon jetzt wimmelt es nur so von Schmetterlingen und andern Lebewesen. Auch Olivenbäume gibt es in grosser Zahl. Aus den Früchten entsteht das feine Bonarossa-Olivenöl extra vergine. Dann zeigt uns Massimo noch voller Stolz die zwischen einigen Rebzeilen angepflanzten Tomaten. Daraus entsteht die Sugo für unser Biodiversitäts-Paket. Ein nahegelegenes Steinhaus hat Massimo restauriert und wohntauglich umgebaut. Er will es für sanften Tourismus nutzen, um den Leuten die Idee des Rebbergs der Zukunft näherzubringen.
Nächste Station ist der Weinberg am Lago Vuveri. Der See liegt in einem Naturschutzgebiet, das unzählige Zugvögel als Stützpunkt auf ihrem Weg in den Süden oder Norden nutzen. Auch hier legt Massimo seine grosse Verbundenheit mit der Natur an den Tag. Das zeigt sich unter anderem an einem kleinen Detail: Die Reben werden mit Schilf, das am Ufer des Sees wächst, an den Pfählen festgebunden.
Nach einem geruhsamen Sonntag am Strand reisen wir weiter Richtung Palermo zum Weingut Villa Dorata. Gutsbesitzer Massimo de Gregorio hat seiner Azienda in wunderschöner Hügellage ein Agriturismo mit Restaurant, Gästezimmer und grossem Swimmingpool angegliedert. Hier ist die Natur noch so intakt und vielfältig, dass kaum zusätzliche Anstrengungen zugunsten der Biodiversität nötig sind. Auf dem Weg zum Weinberg werden wir Zeuge eines Naturspektakels: zwei Zornnattern beim Paarungsritual.
Zum Abschluss fahren wir in den südöstlichesten Zipfel Siziliens. In Pachino kultiviert Corrado Gurrieri gut acht Hektar Reben und 5 Hektar Olivenbäume. Nach einem ausgiebigen Rundgang durch die Weinberge erwartet uns Valeria Gurrieri mit einem einfachen aber zauberhaften Mittagessen. Dazu trinken wir einen Fravolata. Diese herrlich frische, fruchtige und doch mundfüllende Cuvée würde ich sofort in unser Sortiment aufnehmen, wenn ich Einkäufer wäre.
Für mich war es eine überaus lehr- und abwechslungsreiche Reise. Die Begegnung mit der sizilianischen Mentalität, die vielen Eindrücke und die Begegnungen mit den unterschiedlichen Winzern, die sich alle sehr engagiert für einen nachhaltigen Weinbau einsetzen, liefern mir wertvollen Stoff für eine kompetente Empfehlungs- und Beratungsarbeit in meinem Delinat-Weindepot Bern.