Karl Schefer ist Gründer und Geschäftsführer von Delinat, dem Schweizer Marktführer für Bioweine. Das Unternehmen beweist seit über 40 Jahren, dass Weinbau ohne Chemie hervorragend funktioniert. Voraussetzung sind eine reiche Biodiversität im Weinberg und Offenheit der Winzer gegenüber neuen, pilzresistenten Rebsorten, die ohne Pflanzenschutzmittel auskommen.
Weil fast alle konventionellen Weine Pestizidrückstände enthalten, die Belastung des Schweizer Trinkwassers an vielen Orten über den gesetzlichen Grenzwerten liegt und die landwirtschaftliche Ausbildung skandalöserweise noch immer den Einsatz von Chemie predigt, ist für Karl Schefer ein Ja zur Trinkwasser-Initiative überfällig.
Daniel Wyss ist ausgebildeter Landwirt und Landschaftsarchitekt FH. Er beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der biologischen Landwirtschaft. Bei Delinat ist er zuständig für die jährliche Überarbeitung und Weiterentwicklung der Bio-Richtlinien und die Beratung der Delinat-Winzer in ganz Europa.
Für Daniel Wyss ist klar: Ein Bio-Land Schweiz ist keine Utopie. Nach einem Ja zur Trinkwasser-Initiative können Menschen und Umwelt aufatmen.
Roland Lenz führt in der Ostschweiz das grösste und innovativste Bioweingut der Schweiz. Für ihn ist klar, dass Pestizide nicht in die Umwelt gehören. Sie zerstören natürlich funktionierende Ökosysteme und belasten das Trinkwasser. Er setzt deshalb konsequent auf neue, pilzresistente Rebsorten, die nicht gespritzt werden müssen.
Aus seiner Sicht ebnet ein Ja zur Trinkwasser-Initiative den Weg zu einem Bioland Schweiz, für das heute Ressourcen, Know-how und Kaufkraft vorhanden sind.
Alles spricht vom Terroir, also vom Boden, auf dem die Reben stehen. Viele meinen damit auch Klima und Topografie, Rebsorten und Jahrgang und manche sogar die Art der Weinbereitung und das Geschick des Winzers. Betrachten wir die Elemente Topografie, Klima und Böden: Besonders eindrücklich sind die Rebhänge entlang der Mosel, im Wallis, im spanischen Priorat oder im portugiesischen Dourotal. Offensichtlich spielt die Topografie im Weinbau eine wichtige Rolle. Reben an Hängen liefern meist bessere Trauben als in der Ebene; doch ab 500 bis 800 Meter über Meer wird es rasch zu kühl, die Trauben können nicht ausreifen – mit wenigen Ausnahmen wie die bis zu 1150 Meter über Meer gelegenen Weinberge von Visperterminen im Wallis.
Der Boden im Hang ist meist eher mager, bei beschränktem Nährstoffangebot wachsen die Reben langsamer, ideal für Qualitätsweine. Dank kräftiger Thermik ist die Luft im Hang nachts wärmer als in der Ebene: Die Reben sind länger vor Frost geschützt. Zudem trocknen Hanglagen nach Regen rasch ab, Staunässe in der Ebene geht den Rebwurzeln ans Leben. Ideal sind in nördlichen Weingebieten sonnenverwöhnte Südhänge. Mit der Klimaerwärmung mag sich das ändern; schon heute pflanzen Winzer im Mittelmeerraum ihre Reben an suboptimalen Lagen, um so früh- und überreife Trauben zu verhindern. Hanglagen haben auch Nachteile: Die Erde rutscht bei starkem Regen in die Ebene, zudem sind solche Böden meist arm an Nährstoffen, gut für die Traubenqualität, aber schlecht für den Ertrag. Nahrhafte Böden liegen meist im Flachen; hier liefern die Reben mehr Trauben, und daraus lassen sich bequem Massenweine erzeugen, die aber im Keller auf trinkig getrimmt und mit schönen Etiketten geschminkt werden müssen. Beträchtlich ist auch der Arbeitsaufwand in Hängen, es können weniger Maschinen eingesetzt werden. Diese Weine kosten dann zwei, drei Euro mehr, bieten aber auch mehr Weingenuss.
Sonne, Wind und Regen
Das Makroklima umfasst den langfristigen Witterungsverlauf einer ganzen Region, das Mikroklima ein Gebiet von wenigen hundert Metern mit gleichen Temperaturen, Niederschlägen und Sonnenscheindauer. «Sonnengereift» gilt als begehrtes Attribut, obwohl auch Reben unter Sonnenbrand leiden können. Hochwillkommen ist Sonne zu Beginn des Reifeprozesses der Trauben, meist im August. Jetzt bilden sich in den Traubenbeeren Zuckerreserven, die später in Geschmack und Aroma umgewandelt werden. Gerade in südlichen Weinbauregionen sollte es aber nicht konstant warm sein; das lässt die Trauben zu rasch reifen. Die Folge sind einfache Weine mit wenig Aroma. Kühle Nachttemperaturen hingegen fördern fruchtige Aromen. Wind trocknet nach einem Regen die Reben und verhindert so Pilzkrankheiten. Doch starker, kalter Wind verringert den Ertrag und verzögert die Traubenreife, was in kühleren Regionen problematisch ist.
Guter Stress
Reben kommen mit wenig Wasser aus, meist genügen 400 bis 500 Millimeter pro Quadratmeter und Jahr – sofern der Boden das Wasser speichern und später wieder freigeben kann. Leichter Wasserstress, also ein zeitweiser Mangel an Wasser, wirkt sich sogar günstig aus: Rotweintrauben werden besser, wenn es beim Farbumschlag (véraison) ab Juli/August nur selten regnet, denn Regen fördert das Wachstum der Triebe und Blätter und lässt im Extremfall die Beeren anschwellen oder gar platzen.
Wenn sie müssen, suchen sich Reben mit bis zu sechs Meter langen Wurzeln das Wasser in der Tiefe; zum Beispiel bei sehr mageren oder wasserdurchlässigen Böden wie in den Kies-Sand-Böden des Médoc (Bordeaux) oder in heissen, trockenen Regionen wie in Südspanien. In humosem Boden sind Wurzeln von 50 bis 100 Zentimeter Länge ein Vorteil. Solche Reben produzieren wenige Trauben von guter Qualität.
Steiniger Weg zum Genuss
Topografie und Klima beeinflussen also die Traubenqualität. Ebenso wichtig ist der Boden. Reben nehmen Spurenelemente und Minerale aus dem Boden auf. Heute kann aufgrund der Inhaltsstoffe einer Traube nachgewiesen werden, aus welchem Rebberg sie stammt. Doch schmecken Weine je nach Boden anders? In der Sendung «Quarks & Co.» des WDR wurde eine Studie des Weinforschungszentrums Rheinpfalz vorgestellt: 24 auf unterschiedlichen Böden gewachsene Rieslinge. Es zeigte sich, dass Weine, die vom selben Ausgangsgestein kommen, sehr ähnlich schmecken, verschiedene Gesteine aber deutlich unterschiedliche Weine hervorbringen können. Ein Riesling auf Schiefer ist oft rassiger als einer aus Kalk-Ton-Böden mit eher erdigen Noten. In schlechten Weinjahren stellt man zudem fest, dass einige Weinberge bessere Weine hervorbringen als andere – bei gleichem Klima und gleichen Rebsorten, bei identischer Pflege der Weinberge und Art der Weinbereitung. Es muss also am Boden liegen.
Hell oder dunkel?
Steinige Böden sehen unwirtlich aus, haben aber einen positiven Einfluss auf die Reben. Meist sind solche Böden wasserdurchlässig und gut belüftet. Helle Steine reflektieren die Sonnenstrahlen auf die Blattunterseiten. Steine nehmen tagsüber Wärme auf und geben sie nachts langsam ab. Humus-, Lehm- oder Tonschichten unter den Steinen speichern das Wasser. Berühmt sind die kiesigen Kuppen über tonhaltiger Erde in den Weinbergen von Château Cheval Blanc und Figeac in Saint-Émilion. Dunkles Basaltgestein oder dunkelgrauer Schiefer absorbieren Sonnenwärme und strahlen sie nachts wieder ab, reflektieren aber weniger Licht auf die Blattunterseite als helle Böden. Gut geeignet sind auch kalkhaltige Böden, sie liefern mitunter die besten, körperreichsten Weine, beispielsweise in der Rioja, im Bordeaux, Chablis und der Toskana. Ebenso finden wir Muschelkalk in guten Rieslinglagen, wobei auch Schiefer und selbst Lössböden dieser Rebsorte behagen.
Ideal für den Weinbau sind steinige, wasserdurchlässige Böden, mager, aber mit genügend mineralischen Elementen; eher neutral, denn in sauren Böden ist Phosphor für die Reben schlechter verfügbar, gleich wie Eisen und Mangan in basischen Böden – wichtige Bausteine für die Entwicklung gesunder Reben. Die besten Weine stammen aus nicht zu fruchtbaren Böden mit der minimal benötigten Menge Wasser.
Alles bio oder was?
Begrünte Weinberge gelten oft als bio. Doch auch überzeugte Niemalsbiowinzer lassen es zwischen den Reben grünen – meist jedoch bloss Gras, um so die Böden vor Erosion zu schützen. Sinnvoll ist aber eine abgestimmte Begrünung mit Leguminosen, Gräsern, Kreuzblütlern und vielen mehr. Solche Weinberge enthalten doppelt so viele Nützlinge. In den obersten 30 Zentimetern des Bodens leben Milliarden von Bakterien und Pilzen, Millionen von Algen, Einzellern, Fadenwürmern – und pro Quadratmeter Hunderte von Springschwänzen, Regenwürmer, Tausendfüssler und Käfer sowie rund 50 Asseln, Spinnen und Schnecken. Mikroorganismen wandeln die organischen Stoffe um in Humus. Humus ist wichtig für die Bodenstruktur; er verbessert die Belüftung und das Wasserspeichervermögen.
Nicht das grüne Gras zwischen den Reben zeugt vom biologischen Weinbau, erst der Aufbau eines reichhaltigen Bodenlebens mit natürlichen Mitteln verdient diesen Namen. Chemisch-synthetische Pestizide reduzieren dagegen das Bodenleben. So finden sich auf den Trauben kaum noch natürlich vorkommende Hefen, welche die Vergärung im Weinkeller von sich aus starten. Der Kellermeister muss Zuchthefen einsetzen. Studien haben gezeigt, dass spontan vergorene Weine meist mehr Glycerin und Zucker enthalten, teilweise auch mehr Aromastoffe.
In den letzten Jahren verbreiterte sich die Spitze der Weinerzeuger deutlich. Wie kann sich heute ein Winzer noch verbessern? Er kennt die besten Weintrauben, ebenso ihre optimale Pflege; die Möglichkeiten der Kellertechnik sind ausgeschöpft. Grosses Verbesserungspotenzial liegt aber im Boden. Das erkennen immer mehr Spitzenwinzer. Sie stellen um auf biologischen oder biodynamischen Anbau, sie fördern die Humusbildung, die Vermehrung von Nützlingen und Mikroorganismen – und sie verzichten auf chemisch-synthetische Pestizide. Ihr Ziel sind terroirgeprägte Weine, nicht nur als Schlagwort, sondern erlebbar im Glas.
Der Klimawandel ist im Wesentlichen durch zwei Phänomene geprägt: steigende Temperaturen und unregelmässige Niederschläge. Im Weinbau ist beides bereits deutlich spürbar. Die im Vergleich zum Jahr 1950 bis zu 2° C höhere Temperaturen während der Vegetationsperiode wirken sich vorab in den südlichen Weinbauländern negativ auf die Weinqualität aus: Die Trauben sind viel zu früh reif und müssen geerntet werden, bevor sie mit den essentiellen Inhaltsstoffen angereichert sind. Laut Hans-Peter Schmidt, Leiter Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming, kann diesem Problem mit Massnahmen im Weinberg begegnet werden: Verringern der Blattmasse, Höherlegung der Traubenzone, Veränderung der Rebzeilenausrichtung oder Pflanzung neuer Traubensorten.
Trockenheit und steigende Temperaturen entwickeln sich immer deutlicher zu einer Herausforderung im Weinbau
Niederschlagskapriolen als Herausforderung
Zu einer weit grösseren Herausforderung der nächsten Jahre wird laut Schmidt das Phänomen der unregelmässigen Niederschläge. Durch die generelle Erhöhung der Lufttemperatur verdunstet mehr Wasser aus Böden und Oberflächengewässern, welches letztlich wieder als Regen niedergeht. Da die Atmosphäre durch die höhere Lufttemperatur mehr Wasser aufnehmen kann, regnet es seltener, dafür umso heftiger. Mit andern Worten: Es ist häufig lange trocken, dann regnet es plötzlich so heftig, dass die Böden das Wasser nicht aufnehmen können, erodieren und vorhandene Nährstoffe weggespült werden. Mit verhängnisvollen Konsequenzen für die Trauben: Sie leiden einerseits vermehrt unter Trockenstress und Nährstoffmangel und andererseits unter Übernässung und Nährstoffüberangebot, was sich beides negativ auf die Weinqualität auswirkt.
Ausführlicher Bericht in der WeinLese
Diesem Problem kann gemäss Hans-Peter Schmidt bloss mit einer gezielten Kombination von Begrünung, Wasserspeicherung und sparsamer Bewässerung begegnet werden. Welche konkreten Strategien das Delinat-Institut diesbezüglich verfolgt, erfahren Sie im ausführlichen Bericht von Hans-Peter Schmidt im Magazin WeinLese 27, welches Ende August erscheint.