«Wir mussten lernen, polarisierende Weine zu meiden»

Der Anfang war hart und zäh. Doch dann entwickelte sich der DegustierService zum erfolgreichsten Weinabo Europas. Delinat-Gründer Karl Schefer gibt im Interview Einblick in die bewegte 30-jährige Geschichte dieser einfachen, aber bestechenden Idee.

30 Jahre DegustierService: ein Grund für den Delinat-Gründer, eine gute Flasche zu öffnen?
Karl Schefer: Ja, definitiv. Das Jubiläum feiern wir im Kreise unserer loyalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alle sind stolz auf den nachhaltigen Erfolg dieser einfachen Idee.

Karl Schefer, Bio-Pionier und Delinat-Gründer.

Welche Idee steckt hinter dem Weinabo?
Am Anfang verstanden wir sie anders als heute. Da muss ich etwas ausholen: Weine, die vor allem im Weinberg entstehen und im Keller kaum noch «bearbeitet» werden, sind stark vom Wetter des jeweiligen Jahrgangs geprägt. Ihr Charakter, die Aromatik und der Gehalt variieren stärker von Jahr zu Jahr als bei «zurechtgebogenen» konventionellen Weinen. Unser Gedanke war, dass man neue Jahrgänge vor dem Bestellen probieren sollte. Mit einem Abo war das am einfachsten zu lösen. Bald haben wir festgestellt, dass die Hauptmotivation unserer Kunden aber eine andere war: Nicht das Probieren zum Zweck einer Bestellung war das schlagende Argument, sondern die bequeme Art von Grundversorgung mit immer wieder neuen Weinen, die entdeckt werden wollen. Und so ist das bis heute geblieben. Die meisten Kunden lassen sich vom DegustierService bedienen, um immer mal eine Flasche Wein parat zu haben. Nur etwa jeder zweite Kunde nutzt den Service mit dem Ziel, die am besten mundenden Weine zu bestellen.

«Das beliebte Abo hat auch der Natur geholfen.»
Karl Schefer

War es schwierig, die Idee umzusetzen?
Der Anfang hatte es in sich. Es galt, einen guten Karton zu entwerfen, der nicht nur vor Bruch schützt, sondern auch noch mit einem erträglichen Mass an Aufwand gefaltet und verpackt werden konnte. Auch der hohe Preis bei den anfangs kleinen Auflagen war ein Problem. Dann galt es, die Idee zu verkaufen, und auch das war nicht ganz einfach. Insgesamt brauchten wir zwei Jahre, bis die kritische Anzahl an Abonnenten erreicht war, damit der Versand wirtschaftlich tragbar wurde.

1987 wurde es konkret: Wie muss man sich den Anfang vorstellen?
Nun ja, das ganze Team, etwa zehn Leute waren wir damals, gab Auskunft über das neue Abo, packte Kartons, schrieb Rechnungen, erfand täglich neue Abläufe und diskutierte Ideen. Viele Kundinnen und Kunden haben uns in dieser Anfangszeit mit wertvollen Ratschlägen und Wohlwollen geholfen. Ohne die liebenswerte Unterstützung begeisterter Kunden hätten wir den DegustierService nicht zum Fliegen gebracht.

Welche DegustierService-Weine machen im Rückblick am meisten Freude?
Da gibt es wirklich so viele, dass jede Aufzählung ungerecht wäre. Fast in jedem Paket gibts ein Highlight, eine überraschende oder überragende Qualität, eine Entdeckung. Genau das ist unser Ziel: zu überraschen und zu begeistern.

Gab es auch Flops?
Ja, natürlich. Es gab einen Wein, der in der Flasche eine zweite Gärung begonnen hatte, gerade als er in den Versand kam. Ein anderer entwickelte ein extrem feines Depot, das auch durch Dekantieren kaum zu trennen war. Und viele Weine haben polarisiert, vermochten die einen zu begeistern, die anderen zu enttäuschen. Es gibt nicht immer Klarheit über die Grenze zwischen Besonderheit und Weinfehler. Es galt, die Balance zu finden zwischen unkompliziertem Trinkvergnügen und komplexen Gewächsen, die man oft erst beim zweiten Schluck versteht. Wir mussten lernen, stark polarisierende Weine im DegustierService zu meiden. Es ist nicht lustig, wenn hunderte von Reklamationen fast gleichzeitig eintreffen. Was aber sicher auch zu unserem Erfolg beigetragen hat: Wir diskutieren nicht. Wenn die Kundin reklamiert, hat sie Recht und bekommt Ersatz, basta.

«Insgesamt brauchten wir zwei Jahre, bis die kritische
Anzahl an Abonnenten erreicht war.»
Karl Schefer

Hat das Weinabo mehr bewirkt, als Delinat zu einem erfolgreichen Unternehmen zu machen?
Der DegustierService hat zu vielen Empfehlungen geführt, die beste Art, neue Kunden zu gewinnen. Wenn man mit Gästen die Weine aus dem «Delinat- Päckli» probiert und dazu die informativen Unterlagen zeigt, dann kommt es häufig vor, dass daraus neue Kunden entstehen. Der DegustierService ist unser Multiplikator, unser «Verkäufer». Aber auch ganz wichtig: Das beliebte Abo hat auch der Natur geholfen: Es ist seinem Erfolg und der Plansicherheit zu verdanken, dass über 3000 Hektar Weinberge sich in vielfältige und reichhaltige Naturparadiese gewandelt haben, quer durch Europa.

Wo vor 30 Jahren alles begann: ein kleines, eingeschworenes Team im Haus zur Glocke in Heiden bei Vorbereitungsarbeiten für den DegustierService.

Was genau macht den Erfolg über drei Jahrzehnte aus?
Da gibt es keine eindeutige Antwort. Sicher hängt der Erfolg mit der allgemeinen Stossrichtung zusammen. Seit der Gründung 1980 sind wir unseren Delinat-Grundsätzen treu geblieben, haben allen Verlockungen getrotzt und unsere Qualitätsanforderungen gegen den Strom immer weiter verschärft. Damit haben wir eine sehr treue Kundschaft gewinnen können, die sich deutlich von gängigen Weinkäufern abhebt. Der DegustierService unterstreicht unsere Philosophie mit jedem Paket durch Transparenz (Analytik und Anbaudetails), Emotionen (in packenden Geschichten) und Herzblut (die Passion für Wein und Ökologie, die Lebensfreude). Dass man das Abo jederzeit kündigen kann und dass es kein Kleingedrucktes gibt, gehört ebenfalls zum Erfolgsgeheimnis. Aber auch das gute Preis-Leistungs-Verhältnis der Weine und die portofreie Lieferung tragen dazu bei, dass dem Abo die Treue gehalten wird.

Dem Umstand, dass mehrmals pro Jahr ein Weinpaket direkt an die Haustür geliefert wird, haftet etwas Nostalgisches an. Sprechen junge Leute noch auf ein solches Konzept an, oder muss man sich da bald etwas Neues überlegen?
Abos galten lange als verpönt, und noch heute gibt es Leute, die eine richtige Angst davor haben. Hingegen liegen neue Modelle im Trend – es gibt inzwischen fast alles, was man im Abo beziehen kann, von Socken bis zu Brot, von Kaffee bis zu Rasierklingen. So entdecken junge Weingeniesserinnen und Weingeniesser den DegustierService mit grosser Freude. Im Unterschied zu reiferen Weingeniessern wechseln sie die Sorten öfter und probieren mal dies und jenes. Nein, wir glauben nicht, dass wir viel ändern sollten. Die langjährige Konstanz und die Verlässlichkeit gehören zu den Erfolgsfaktoren des DegustierService, und das soll so bleiben.

Weitere Artikel zum DegustierService aus der WeinLese 46:

Hans Wüst

10 comments

  1. Der Artikel hat mich sehr angesprochen, denn auch ich gehöre zu den Abonnenten, die den persönlichen Verbrauch mit dem Abo decken. Kürzlich habe ich einen interessanten Kurs im Weindepot besucht. Dabei habe ich festgestellt, wie individuell die persönlichen Vorlieben sind und dass die Besucher zu 2/3 älteren Semesters sind. Dies hat mich gefreut, denn es zeigte mir. Auch jüngere Geniesser:innen finden bei Delinat einen Zugang zu der faszinierenden Welt des Weins. Sicherlich zähle ich mich nicht zu den Weintrinkern, welche die feinen Nuancen des Weins benennen oder verstehen können. Aber durch das Weinabo habe ich zu den seltenen Gelegenheiten eine schöne Flasche Wein im Keller und freue mich auf jedes liebevoll gepackte Paket. Es ist für mich ein unglaublicher Service, dass die Pakete kommen und die leere Verpackung vom Versandunternehmen gleich mitgenommen werden und dies zu einem unglaublich günstigen Preis pro Flasche. Wenn ich mir überlege, wieviel mehr Handarbeit bei diesen naturnahen Produktionsmethoden in einer Flasche steckt, dann staune ich nur noch. Vielleicht trifft nicht immer jede Flasche meinen Geschmack. Aber Geschmäcker sind schliesslich unterschiedlich und bei den 10‘000 Rebsorten auf der Welt ist es ja kein Wunder. Danke, dass Delinat mich mit den Abos immer wieder auf eine Reise in mir unbekannte Rebberge mitnimmt und meinen (Wein) Horizont erweitert.

  2. Das seriöse Auftreten von Delinat hat mich dazu bewogen mich von Delinat mit Weinen zu versorgen. Die Lausitz war zu dieser Zeit ein weißer Weinfleck. Es wurde In der Bergbauregion aus Tradition vor Allem Bier getrunken. Die Bergbau Kumpel bevorzugten eben den schellen Schluck aus der Pulle eben eine Mode, die mich aber nicht zum Weitermachen überzeugte.
    Das war eben auch eintönig, obwohl es unterschiedlich Biere zu kaufen gab, aber die Gemütlichkeit blieb auf der Strecke. Und nur damit es im Kopf „drehte“ macht den alleinigen Bierkonsum für mich nicht auf Dauer reizvoll.
    Und nach dem ich mich mit dem Sevice von Delilat näher bekannt gemacht hatte und die „Weinlese“ ist da ein Pfad, der vom Trinken zum Genießen aufschlägt, so bin ich weiterhin ein Fan von Delinat.
    Jedes Probierpaket hat eben mehrere Weine mit unterschiedlichen Geschmacks Varianten, so wird es eben auch nicht eintönig.

  3. Delinat-Weine und das Weinabo sind eine tolle Sache und ich gehöre wahrscheinlich auch zu der sehr frühen Kundschaft. Zur Zeit wähle ich die Weine lieber selber aus und schätze den guten Lieferservice und vor allem auch die erneute Rücknahme der Kartons. Danke dem ganzen Delinat-Team für den tollen Einsatz. Auch den vielen Delinat-Wein-Produzent*innen gehört ein grosses Dankeschön. TOI TOI TOI für die nächsten 30 Jahre

  4. Zwar habe ich nur ein einziges Testpacket des Abos ausprobiert, dort konnte mich aber kein einziger überzeugen. Offenbar möchte man vorwiegend Mehrheiten zufrieden stellen sowie die Weine so wählen dass es möglichst wenig Risiken bezüglich Fehlern oder Aromatik gibt. Das führt dazu dass sehr eigensinnige Weine kaum anzutreffen sind und es vorwiegend einem Mainstreamgeschmack entspricht. Liebhaber exotischer und unberechenbarer, ja sogar launischer Weine werden hier kaum ein Angebot vorfinden, wenn überhaupt. Allerdings wären diese von Minderheiten gefragten Kandidaten kaum in nennenswerter Menge verfügbar und oft im obersten Preissegment. Leute wie ich sind daher offenbar besser bedient wenn sie einige besonders eigensinnige Weine manuell aus dem Sortiment rauspicken. Das sind sowieso nur wenige im Jahr und so wird es auch bleiben. Deswegen ist das Abo leider nicht für alle, das musste ich auf die harte Tour lernen aber wenigstens hat Delinat auch für Minderheiten einige polarisierende Angebote. Abos lohnen sich ja erst ab einer gewissen Quantität, genau das ist der grösste Schwachpunkt, da man so keine Minderheiten bedienen kann. Bedauern tue ichs aber nicht, es ist ganz einfach Schicksal und viele Wege führen nach Bacchus.

  5. Hallo und guten Tag…

    Wir haben ein kleines Lädchen das Kraut & Rüben in Meinerzhagen….kann man evtl dort eine Probe machen mit mehreren Leuten? Der naturnahe Hintergrund passt sehr gut zu unserem Konzept.LG Rita Adolf

  6. Mein Mann (Markus Bischoff) und ich gehören zu den Abo-Abonnenten der ersten Stunde. Wir hatten immer sehr viel Freude an den Weinpaketen. Leider bin ich inzwischen Witwe geworden. Aber auch in der Altersresidenz, in welche ich vor einem halben Jahr gezogen bin, möchte ich die Weinpakete nicht missen. Allerdings habe ich jetzt das Doppelpaket wieder ins Einfachpaket umgetauscht.

    Gerne möchte ich wissen, wie viele Kunden es gibt, die ebenfalls von Beginn bis heute dabeigeblieben sind.

    Viel Erfolg wünsche ich Ihnen für die Zukunft. Mit herzlichen Grüssen
    Rose Marie Bischoff

    1. Meine Frau und ich gehören vermutlich zu den Abonnenten der „ersten Generation“. In dieser langen Zeit haben wir interessante, individuelle und qualitativ und geschmacklich hochwertige Delinat-Weine kennengelernt – Enttäuschungen waren extrem selten. Delikat verbindet Genuss mit ökologischer Ethik – das passt zu uns. Immer wieder können wir Freunde und Kenner für die Weine von Delinat begeistern. Und dann kommt noch ein freundlicher, entgegenkommender und perfekter Service hinzu. Wir können nur sagen: Gratulation und vielen Dank – an alle Mitarbeiter!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert